Schalom. Jüdisches Leben in Thüringen

Drei Schulen gehen auf Spurensuche 2021 ist deutschlandweit das Gedenkjahr „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“. In Thüringen sind es 900 Jahre, in denen jüdisches Leben gelebt wird. Hier in Südwestthüringen ist es für uns Anlaß mit vielen verschiedenen Schüler*innen auf Spurensuche in unseren Orten vor der Haustüre zu gehen.

„Ich wußte gar nicht, daß es in meiner Gemeinde eine Synagoge gab!“ – so und ähnliche Aussagen kamen. Also lagen wir mit unseren Schulprojekten genau richtig. Die Lehrer*innen der drei mitmachenden Schulen haben engagiert die Türen geöffnet, organisiert und Unglaubliches möglich gemacht; sie wußten wie gut es sein wird, durch andere Vermittler und in anderen Kontexten neue oder bekannte Themen anzugehen: so konnten die Lehrer*innen mit den Künstler- und Designer*innen der JugendKunstschule gemeinsam maßgeschneiderte Konzepte für jede Schule entwickeln.

Finanziert wurden die Schulprojekte durch die Kulturagent*innen Thüringen, eine Maßnahme der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Thüringen e.V. gefördert durch das Land Thüringen in Kooperation mit dem Bildungsprojekt “Jüdisches Leben erfahren” im Rahmen des Themenjahres “Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen”.

Lebensgroße Silhouetten am Dr.-Sulzberger-Gymnasium Bad Salzungen

In der Stadt Bad Salzungen liegen an fünf Orten im Stadtzentrum 16 Stolpersteine. Hinter jedem Stein steht eine Geschichte, eine menschliche Biografie. Wie aber setzen wir diese biografischen Daten um in etwas, das uns selbst und jeden anderen angeht und sogar berührt? Die Künstlerinnen Ulrike Kraus und Heide Dittmann-Ortner haben in Übungen und Spielen Annäherungen geschafft, daß wir uns in die Personen hinein versetzen und dafür Ausdruck und Bilder finden konnten. Diese Übungen sind dann eingeflossen in lebensgroße Sillhouetten, für die die Teilnehmer*innen selbst die Schattenbilder waren – das heißt, das hier und jetzt ist in die Auseinandersetzung eingeflossen. Es sind Figuren entstanden zu den historischen Personen aber durch Abbilder heutige Schüler*innen. Vielleicht bekommen sie dadurch etwas allgemeingültiges. Zu den Silhouetten gehören Koffer, historische Koffer, die wir über den Sommer per Spendenaufruf sammeln konnten. Der Koffer steht für Reise, für Unterwegssein und eben auch für Flucht. Die Schüler*innen haben die Koffer unterschiedlich verwendet; mal sind Dinge darin gesammelt, die den dargestellten Menschen wichtig waren, die sie ausmachten oder die einen kleinen Ausschnitt aus ihrem Leben erzählten. In einem Koffer liegt ein Baby… zu einem anderen sind Steine verknüpft…

Am 9. November wurden zum öffentlichen Gedenkrundgang, organisiert durch das Bündnis für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit im Wartburgkreis und der Stadt Bad Salzungen, diese Installationen vorgestellt. Dafür hatte der Schauspieler Roman Kimmich aus Eisenach mit den Schüler*innen selbst geschriebene Texte und Tagebuchaufzeichnungen erarbeitet oder passende Gedichte rausgesucht und vorgetragen.

Spurensuche durch das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Ruhla

Die Projekttage der 10. Klassenstufe waren flankiert durch den Workshop des jüdischen Musikers Yoed Sorek. Die musikalische Arbeit wurde in einem weiteren Workshop fortgesetzt. Dazu kam ein Workshop zur fotografische Spurensuche in der Stadt – mit einer Einführung in dokumentarischer Fotografie durch den Fotografen Dieter Horn. Mit dem Schauspieler Roman Kimmich erarbeiteten die Schüler*innen kurze Szenen zu Fragmenten, Eintragungen und historischen Fotos. In der Kunstschule in Schweina fertigten die Teilnehmer*innen unter Leitung der Künstler Daniel Storch und der Künstlerin Ulrike Kraus großformatige Siebdrucke und Stencil Art. Sie wirken als große Kunstplakate, mal still und leise und mal warnend, aufschreiend.

Jeder Schüler*in konnte sich in einen der Workshops einschreiben und sich einen ganzen Tag lang mit einem verschiedenen Künstler*in zum Thema auseinandersetzen und entsprechende Umsetzungen finden: mit Musikinstrumenten, der Kamera, mit Körper und Sprache oder mit Farbe und Sprühdosen. Fachliche Zuarbeit kam durch den Arbeitskreis Juden in Ruhla, durch Frau und Herrn Prof. Geck in Ruhla.

Zeitzeugin im Film und Grabsteine erzählen – die Regelschule Bad Liebenstein

Eine ganze Woche im November widmeten die 9. Klassen der Regelschule dem Jüdischen Leben. Auftakt waren Stadtrundgänge zu Orten jüdischer Geschichte und Filmausschnitte der Zeitzeugin Margot Liebenstein, durchgeführt durch Tim Zeidler von der Geschichtswerkstatt Bad Liebenstein. Dann teilten sich die Schüler*innen in vier verschiedene 3-tägige Workshops. Im Theater-Workshop hat Roman Kimmich die Frage gestellt: Was hat das alles eigentlich mit uns zu tun? Gemeinsam sind aus den Antworten, Gedanken, Ideen und Fragen kleinere Szenen entstanden. Der Künstler Gregor Müller hat in seinem Workshop in die Kunst des Comics und des Comiczeichnens eingeführt. Minikleine Geschichten im Stile der Grafic Novel sind entstanden. Eine Gruppe hat den Einstieg in die hebräische Schrift gewagt. Mit diesem Wissen haben sie anschließend auf dem jüdischen Friedhof in Barchfeld Frottagen von Grabsteinen abgenommen. Aus Schrift, Frottagen und Sprühtechnik sind Collagen entstanden, die als großformatige Plakate Aufsehen erregen. Für ausgewählte Orte zu jüdischem Leben in Bad Liebenstein sind im vierten Workshop mit Juliane Hechel vom Wartburgradio durch die Schüler geschriebene und eingesprochene Texte jetzt als audio-files zur Verfügung. Sie werden weiter verwendet in einer Stadtkarte und können dort angehört werden.

Zur Präsentation aller entstandenen Arbeiten

Ursprünglich hatten wir vor, am 20. November 2021 einen Tag der offenen Tür zur Jüdischen Kultur mit Essen, Musik und allen entstandenen Arbeiten und Darbietungen in den Schulprojekten zu präsentieren. Vor allem sollte es eine Begegnung und den Austausch der Schüler*innen, Lehrer*innen und Mitstreiter*innen dienen, aber auch offen sein für Eltern, Großeltern und interessierte Öffentlichkeit…

Das ist pandemiebedingt nicht möglich.

Tag zum Jüdischen Leben

Schweren Herzens haben wir uns entschieden, daß wir diesen Tag auf den 30. April 2022 verschieben. Es tut uns einerseits leid, das wir dieses große Projekt jetzt nicht im November abschließen konnten, andererseits schien uns die Verschiebung der Präsenzveranstaltung die bessere Lösung gegenüber digitalen Formaten. Vielleicht ist der Rückblick mit dem zeitlichen Abstand gut und möglicherweise gibt es Anstösse für Fortführungsprojekte.

Wir freuen uns auf einen würdigen Abschluß einer intensiven Zeit. Schalom.